Der Beruf des Baumpflegers

Baumpfleger, das war vor zehn Jahren in Vorarlberg noch etwas Exotisches. Geschweige denn, dass man damals das Gehölz in digitale Kataster eingeteilt hätte. Mittlerweile etabliert sich dieser Berufszweig im Land immer mehr. Auch deshalb, weil Stefan Gieselbrecht Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet hat. Denn der 37-jährige gelernte Land- und Forstwirt war seinerzeit der Erste, der sich voll und ganz dieser Materie widmete.

Als geprüfter „European Tree Worker“ zählt es zu seinen Aufgaben, den Zustand von Bäumen genauestens zu analysieren und bei Bedarf Pflege- und Heilmaßnahmen durchzuführen. Wenn der Langener das Gehölz untersucht, entwickelt sich das Objekt schnell zum Baum der Erkenntnis. Denn über 200 Auswahlkriterien sind es, die pro Baum festgehalten werden können. Vom Umfeld des Bodens über die Konsistenz der Wurzeln bis zur Krone wird das Gewächs diagnostiziert. „Sogar schalltomografische Aufnahmen sind möglich“, erklärt der Spezialist die Fortschritte in der Baumchirurgie.

Was für viele vielleicht „nur ein Baum sein mag“, ist für Gieselbrecht und sein Baumpflegeteam ein empfindliches Lebewesen, das auf sämtliche Umwelteinflüsse sensibel reagiert. Deshalb geht der „Baumflüsterer“ auch entsprechend behutsam mit dem Naturprodukt um.

Die Tarzans von heute

Wenn der Arborist von seinen Pflanzen spricht, klingt ein wenig von Alexandras Ballade „Mein Freund der Baum“ durch. Anders als im melancholischen Song erleidet jedoch der Baum nicht das Schicksal des Todes, sondern wird gerettet, falls es möglich ist. Dafür klettern die Tarzans von heute oft stundenlang auf dem und im Gehölz herum, um Schäden zu beseitigen, Pflegemaßnahmen durchzuführen oder auch, um die Optik zu verbessern. Das Lebewesen Baum wird dabei als ganzheitliches System betrachtet.

Die Komplexität, die diesem Thema innewohnt, macht den Beruf zu einem wachsenden Markt. So hat sich auch Stefan Giesel­brechts in Langen bei Bregenz angesiedeltes Unternehmen seit 2006 vom Ein-Personen-Unternehmen zum acht Mitarbeiter umfassenden Betrieb gemausert.

Und im Dünger des steigenden Naturbewusstseins gedeihen mittlerweile auch andere Baumpflege-Firmen in Vorarlberg.

Spezialisten für alle Belange des Baumes

Bäume sind Lebewesen, die das Umfeld und die Lebensqualität der Menschen in Stadt und Landschaft bereichern, aber sie müssen, gerade in Städten, auch verkehrssicher sein. Was früher Gärtner erledigten, übernimmt heute der „European Tree Worker“. Er analysiert den Zustand eines Baumes und behandelt ihn anschließend professionell. Um die Reaktion eines Baumes auf Maßnahmen einschätzen zu können, sind umfangreiche Kenntnisse über Baumbiologie nötig. Baumpflege ist daher ein Job, der ebenso wie andere Berufe eine zunehmend hohe Professionalisierung erfordert. Weiterführende Ausbildungen bietet der „European Tree Technician“. In Deutschland gibt es sogar den eigenen Studiengang Arboristik.

„Man muss wissen, wie der Baum reagiert“

Geht es nach den Indianern, sprechen Bäume ihre eigene Sprache. So gesehen versteht sie Philip Geiger als Germanist wohl besonders gut. Was den 25-jährigen Dornbirner bewegt hat, Baumpfleger zu werden, erklärt er im VN-Gespräch.

In Ihrem Germanistik-Studium haben Sie sich wohl mehr mit verschiedenen Wortstämmen als mit ganzen Bäumen beschäftigt. Was hat Sie dazu bewogen, in einem völlig anderen Berufszweig durchzustarten?

Ein Cousin von mir hat von diesem Job geschwärmt. Also wollte ich es selbst ausprobieren und habe beim Baumpflegeteam geschnuppert. Die Arbeit hat mir sofort zugesagt. Jetzt bin ich seit gut einem halben Jahr dabei.

Sie sind noch mitten in der Ausbildung. Welche Ziele haben Sie in Ihrem neuen Beruf?

Die SKTA, also die Seilklettertechnikausbildung Level A habe ich bereits abgeschlossen. Das heißt, ich darf schon auf dem Baum arbeiten. Wenn man 360 Stunden Erfahrung gesammelt hat, kann man die SKTB absolvieren. Und dann will ich noch den European Tree Worker machen.

Welche Voraussetzungen sind notwendig, um diesen Beruf überhaupt auszuüben?

Unbedingt notwendig sind Fitness und Geschicklichkeit. Es braucht aber auch sehr viel Einfühlungsvermögen, da wir den Baum als Lebewesen betrachten, das es zu erhalten gilt. Man muss beispielsweise bei jedem Schnitt wissen, wie der Baum reagiert. Die Ausbildung ist ein ständiges Lernen. Was mir zudem gefällt, ist das Teamwork.

Baumpflege ist mehr als nur schöne Optik

Allein um die Leistung einer einzigen, hundert Jahre alten Buche zu ersetzen, müssten mindestens 500 junge Bäume gepflanzt werden, um dieselbe Wirkung für den CO2-Austausch zu erzielen. Dieses Beispiel zeigt auf, welche Bedeutung die Erhaltung von alten Gehölzen hat. In vielen Gemeinden sind die oft seit Jahrhunderten stehenden Bäume zum Symbol des Dorfcharakters oder zu echten Naturdenkmälern geworden. Auch erkennen immer mehr Gemeinden und Städte den Wert eines vitalen Baumbestands. Damit Bepflanzungen, wie sie derzeit etwa auf dem Bregenzer Kornmarkt erfolgen, überlebensfähig sind, brauchen sie spezielle Substrate, um die Wasserspeicherkapazitäten zu erhöhen.

Teamwork ist entscheidend

Welche Maßnahmen bei der Baumpflege die richtigen sind, stellt auch die Profis oftmals vor knifflige Entscheidungen. Deshalb werden Meinungen untereinander ausgetauscht und gemeinsam Lösungen gesucht, was den Teamcharakter dieses Berufes unterstreicht.

Auch auf der Baustelle wird Teamwork praktiziert. Das schreiben allein schon die Sicherheitsbedingungen vor. Übrigens sind in diesem Job auch Quereinsteiger zu finden, die speziell aus dem Kletterbereich kommen. Wie etwa der Biologe Swen Riedesser, der in seinem neuen Job seine Liebe zum Klettern und zur Biologie verbinden kann. Wer Baumpfleger wird, muss über eine robuste Natur verfügen und körperlich belastbar sein. Um auf die Bäume zu dürfen, müssen zwei Seilklettertechnik-Ausbildungen absolviert werden.