Baumschutz auf der Baustelle – ein Vortrag vom Baumpflegeteam für „Naturvielfalt in der Gemeinde“

Im Juni fand in Dornbirn ein Vortragsnachmittag im Rahmen der Kampagne „Naturvielfalt in der Gemeinde“ des Landes Vorarlberg statt. Thema des Nachmittages war „Um Bäume bauen – Baumerhaltung vom Plan bis zur Baustelle“. Begrüßt und moderiert wurde der Nachmittag von Mag. Christiane Machold vom Umwelt- und Klimaschutzamt des Landes Vorarlberg und von Dipl. Geogr. Katrin Löning, Koordinatorin von „Naturvielfalt in der Gemeinde“. Die Redner waren von der Stadtplanung Dornbirn, vom Bauamt Lauterach sowie wir vom Baumpflegeteam. Unser Vortragsthema: „Baumschutz auf der Baustelle“. Ein Thema das über die Jahre hinweg immer mehr Zuspruch bekommt und langsam in die Köpfe der Verantwortlichen zu gelangen scheint. Baumschutz auf der Baustelle fängt bei den sichtbaren Teilen des Baumes an und bezieht sich auch besonders auf die eher unsichtbaren, nämlich die Wurzeln.

Aber von vorn. Zuerst einmal gab es für die Zuhörer einen allgemeinen Einblick in die Funktionsweise des Lebewesens Baum an sich, um Zusammenhänge besser verstehen zu können. Danach wurden die Gefahren erläutert, denen der Baum auf der Baustelle ausgeliefert ist. Zu nennen wären hier sehr unterschiedliche wie Stamm- und Astverletzungen oder das indirekte Schädigen durch Freistellen einzelner Bäume. Dadurch kann sich die Windrichtung ändern und eine erhöhte Bruch- und Kippgefahr besteht. Der Baum kann nun auch durch das Fehlen der anderen Bäume Sonnenbrand bekommen. Hierbei vertrocknet die Rinde, sie bekommt Risse und platzt auf. Das ist ein optimaler Zustand für Pilze und Insekten, die nun ungehindert eindringen können. Der Baum stirbt dann nach und nach ab.

Auch kann es auf Baustellen zum Eintrag von Bodengiftstoffen wie Dieselöle, Zementwasser, Lacke, Laugen, Farben, etc. kommen, die der Baum dann aufnimmt bzw. seine Wurzeln schädigen. Auch ein sich verändernder Grundwasserpegel kann den Baum sehr stressen und schädigen. Ebenso können große und schwere Maschinen, die in unmittelbarer Nähe des Baumes betätigt werden, den Boden so sehr verdichten, dass der gesamte Sauerstoff aus dem Boden entweicht und die Wurzeln quasi ersticken. Genauso sollte der Boden im Kronentraufenbereich nicht abgedeckt und keine schweren Sachen wie Baukontainer platziert werden. Ein Bodenabtrag sollte wenn irgendwie möglich ganz vermieden werden oder wenn unabdingbar nur händisch und im Beisein eines Baumfachverständigen. Ein Bodenauftrag ist möglich, dabei sollte aber darauf geachtet werden, dass Belüftungsrohre eingebaut werden, damit die Wurzeln genügend Sauerstoff erhalten. Dann ist sogar eine Pflasterung im Wurzelbereich möglich. Besonders schädigend können Wurzelabgrabungen sein, wenn sie nicht händisch und sorgsam erfolgen. Dabei kann es zu starken Schäden am ganzen Baum kommen.

Die Auswirkungen von Wurzelschäden ist ein eigenes Thema. Es gibt eine Tabelle für Wertminderungssätze bei einer Reduktion des Wurzelbereichs, die besagt, dass ein Baum, dem ein Drittel seines Wurzelbereichs abgenommen wird zu 60% beschädigt ist. Ab einer 40%igen Reduktion ist der Baum nach kurzer Zeit tot.

Wurzeln können bei Schädigung absterben, Pilze können durch Schwundrisse eindringen. Bei starkem Pilzbefall bilden Bäume viele Adventivwurzeln. Damit kann die Wasser- und Nährstoffversorgung zwar kompensiert werden, die Bäume zeigen jedoch kaum Symptome des Pilzbefalls, obwohl sie in ihrer Statik erheblich beeinträchtigt sein können. So kann sich die Fäule fast unbemerkt im Wurzel- und Stammbereich ausbreiten, bis der Baum nicht mehr zu retten ist.

Zum Schutz der Bäume auf der Baustelle bekamen die Zuhörer Informationen für konkrete Baumschutzmaßnahmen nach ÖNORM L1121, wovon einige Zuschauer das erste Mal hörten. Diese ÖNORM beschreibt verschiedene Maßnahmen, wie ein Baum auf der Baustelle gesichert und erhalten werden kann. Eine sehr wichtige Maßnahme ist beispielsweise der Baumschutzzaun, der rund um den Baum errichtet wird und somit den Stamm vor Schädigungen schützen soll. Am effektivsten ist ein hölzerner Zaun. Dieser ist zwar teurer als sein metallener Bauzaunkollege, wird aber erfahrungsgemäß mehr beachtet und vor allem nicht einfach entfernt. Außerdem hält er davon ab, den Baum als Ablageplatz zu missbrauchen oder direkt mit schweren Maschinen über den Wurzelbereich zu fahren.

Auch der Kronenrückschnitt ist eine der Maßnahmen der ÖNORM. Er wird dann angewandt, wenn der Wurzelbereich ein Stück weit reduziert wird. Er trägt zum Ausgleich des Wurzelverlustes bei und stabilisiert den Baum. Der Wurzelbereich sollte allerdings nur im Beisein eines Baumfachmannes eingekürzt werden.

Oft wird dann als weitere Maßnahme ein Wurzelschutzvorhang errichtet. Hierbei werden die Wurzeln händisch freigegraben, mit scharfer Handsäge abgeschnitten und sorgfältig behandelt. Danach wird ein Zaun mit Maschendraht und Jutesackleinen erstellt und der Hohlraum zwischen Zaun und Wurzeln mit luftdurchlässigem düngerhaltigem Baumsubstrat hinterfüllt. Nun wird das Material gut eingeschwemmt und die Wurzeln während der gesamten Bauphase immer feucht gehalten. Dieser Wurzelschutzvorhang wird besonders dann eingesetzt, wenn eine Leitungstrasse in Baumnähe gegraben werden soll.

Möchte man einen Bodenauftrag machen, ist zu beachten, dass luftdurchlässiges Material verwendet wird und vorher die Grasnarbe und alle anderen organischen Stoffe entfernt werden, damit sich unterirdisch keine Fäulnisprozesse bilden können, die dem Baum schaden könnten. Wird zusätzlich der Bereich oberhalb der Wurzeln geteert, gepflastert oder sonst wie verbaut, müssen Belüftungsrohre eingebaut werden, damit die Wurzeln genügend Sauerstoff erhalten.

Ein schönes Beispiel für die Einplanung zum Baumerhalt und Baumschutz auf der Baustelle ist der Neubau der Volksschule Lauterach Dorf, worüber auch der Baumeister des Bauamtes Lauterach an diesem Nachmittag referierte. Bei diesem Projekt arbeiteten wir gemeinsam mit der Gemeinde, den Architekten, Baufirmen und Landschaftsarchitekten einen Baumschutzplan aus.

Anhand eines Baumkatasters wurden alle Bäume auf dem Areal erfasst und durch Bohrwiderstandsmessungen festgestellt, dass eine kaukasische Flügelnuss bereits stark von Kernholzfäule betroffen war. Der Baum wurde aus Sicherheitsgründen gefällt, alle anderen erhalten und in das Bauvorhaben mit eingeplant. Einige Kronen wurden von unserem Team eingekürzt und um sämtliche Bäume herum Wurzelschutzvorhänge errichtet. Da das Gebäude sehr nahe an die Bäume herangebaut wurde, benutzten die Baufachleute die Technik des Pilotierens.
Das heißt, dass das ganze Gebäude auf Betonstelzen steht, die den Wurzelraum nicht abdichten oder beschädigen. Der Wurzelraum wurde außerdem vor den Baumaßnahmen mit einem speziellen Gerät belüftet. Das Projekt ist abgeschlossen, die Schule eröffnet und die Bäume sehr schön integriert. Es gibt dort sogar zwei Freiluftklassenzimmer auf dem Dach im Schatten der Bäume.

Nach dem Vortrag wurde noch viel diskutiert, gefragt und gesprochen. Abgerundet wurde der Vortragsnachmittag mit einem Gang über die Baustelle direkt hinter dem Pfarramt, als praktisches Beispiel für „Bäume auf der Baustelle“ in der dornbirner Fußgängerzone.

Wir haben gerne mit unserem Vortrag teilgenommen und uns über das rege Interesse der Zuhörer für eine grünere Zukunft in unseren Städten und Gemeinden gefreut.